Bei Mühlhausen/Thür. liegt in der sogenannten „Vogtei“ zwischen den Dörfern Ober- und Niederdorla ein Kultsee, an dessen Ufern die Menschen über mehr als Tausend Jahre ihre Götter verehrten. Der See, dessen Ufern im Laufe der Zeit Dutzende von Altären und Idolen säumten, veränderte während der vielen Jahrhunderte seine Gestalt und verlandete schließlich. Das Wissen um den alten Kultplatz ging verloren. Erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts von Torfstechern gemachte Funde lenkten die Aufmerksamkeit von Archäologen auf diesen Ort.
Das Ausgrabungsteam um Professor Behm-Blancke aus Weimar stieß nicht nur auf zahlreiche Heiligtümer, sondern auch auf die Reste der hier geopferten Dinge: Waffen, Werkzeuge, Tiere und auch Menschen.
Die ersten Menschen, die diesen See im 6. Jahrhundert vor Christus als Kultstätte nutzten, gehörten zum Einflussgebiet der keltischen „Hallstattkultur“. Später übernahmen zugewanderte Germanen den heiligen Platz. Etwa ab dem 1. herrschten hier die Hermunduren und errichten in Oberdorla ihre Altäre und Tempel. Auf die Hermunduren folgten die aus ihnen hervorgegangenen Thüringer, die hier bis zur späten Völkerwanderungszeit im 5. Jahrhundert heidnischen Göttern opferten.
Verehrt wurden in Oberdorla nachweislich sowohl männliche als auch weibliche Gottheiten. Über deren konkrete Identität mit den literarisch überlieferten germanischen oder keltischen Göttern lässt sich wohl nur noch spekulieren. Fest steht jedoch, dass es sich vor allem um Fruchtbarkeitsgötter handelte.
Sie wurden – je nach Epoche – an Feueraltären, in Rundheiligtümern, an Altären in Schiffsform, in nach römischen Vorbildern errichteten hölzernen Tempelbauten oder eingezäunten Opferplätzen verehrt.
Auch nach der Christianisierung muss diese uralte Kultstätte im Volksglauben ihre besondere Aura bewahrt haben. Letzte heidnische Opferhandlungen im Moor lassen sich noch im 11. Jahrhundert nachweisen. Und anders als mit seiner langen spirituellen Tradition lässt es sich kaum erklären, dass das ansonsten völlig unbedeutende Dorf Oberdorla vom Mittelalter bis zur Reformation der Sitz eines Archidiakonats war, von denen es in Thüringen nur vier gab.
Heute beherbergt die ehemalige Opferstätte ein Museum, in dem Funde aus dem Moor ausgestellt sind, sowie eine benachbarte Freilichtanlage mit rekonstruierten Heiligtümern und germanischen Wohnbauten.
Ein besondere Zugabe ist, dass sich das Opfermoor direkt am geografischen Mittelpunkt Deutschlands befindet.
Im Roman „Wotans Urteil“ spielt das Opfermoor als Wohnsitz der Priester des germanischen Fruchtbarkeitsgottes Freyer eine wichtige Rolle.