Die Ächtung
Verbrechen galten als Verstoß gegen göttliche Normen. Der Verstoß konnte jedoch durch entsprechende „Sühnemaßnahmen“ wieder ausgeglichen werden. Die Sühne entsprach daher im Kern einem Opfer an die Götter. Der biblische Grundsatz des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ war den Germanen dabei fremd. Selbst Mord konnte über einen entsprechenden Schadensersatz in Form des „Wergeltes“ an die Angehörigen gesühnt werden.
Hart ging die germanische Rechtsauffassung mit Menschen um, die sich nicht an die eng reglementierten Formen des Zusammenlebens hielten. So waren „Feiglinge“ – also Menschen die nicht bereit waren, für ihre Sippengemeinschaft im Kampf zu sterben – und Unzüchtige des Todes. Überführte Ehebrecherinnen warf man ins Moor, der auf „frischer Tat“ gestellte Ehebrecher durfte vom betrogenen Gatten ohne Angst vor Buße erschlagen werden.
Eine „Nebenform“ der Todesstrafe bestand darin, den Verurteilten aus der menschlichen Gemeinschaft zu verstoßen.
Die Ächtung traf Männer wie Frauen. So konnte die (geschorene) Ehebrecherin statt im Moor versenkt zu werden, auch mit Peitschen aus der Gemeinschaft vertrieben werden.
Das Vermögen dieser „Vogelfreien“ verfiel an jeden, der es an sich bringen konnte. Sie besaßen keinerlei Rechtsschutz mehr – für sie galten weder die Regeln der Gastfreundschaft noch stand auf ihre Tötung eine Strafe. Das Überleben dieser in der Dichtung oft als „Wölfe“ bezeichneten Geächteten in der Wildnis stand allein dem Willen der Götter anheim.
Die germanische Sitte der Ächtung ist im isländischen Rechtsbuch „Grágá“ genauso wie in der angelsächsischen Dichtung überliefert.
In Deutschland hat sie in Form der „Reichsacht“ bis in die Neuzeit überlebt. Ein prominentes Opfer der Reichsacht war zum Beispiel Martin Luther, über den sie 1521 im Wormser Edikt verhängt wurde.
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