Roman „Wotans Urteil“ :: Der Gott Wotan :: Mitteleuropa zur Zeitenwende :: Archäologische Zeugnisse
Wer war Wotan : Wotans Eigenschaften : Historische Überlieferung : Gottesurteile : Die Ächtung
   
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Historische Überlieferung

„Schwarz sind die Schilde, gefärbt die Leiber; dunkle Nächte wählen sie zum Kampf, und schon das Grauenvolle und Schattenhafte ihres Totenheeres jagt Schrecken ein: kein Feind hält dem ungewohnten und gleichsam höllischen Anblick stand.“ – Perfekter als mit diesen Sätzen des antiken römischen Schriftstellers Cornelius Tacitus im 43. Kapitel seiner „Germania“ lässt sich Wotan Wildes Heer kaum beschreiben. Allerdings schildert Tacitus damit einen ansonsten unbekannten germanischen Stamm - die „Harier“, die er dem ostgermanischen Stammesverbund der Lugier zuordnet. Allem Anschein nach saß Tacitus jedoch einer Verwechslung auf und verarbeitete Informationen über einen kultischen Männerbund von Wotansverehrern statt über einen Volksstamm. Vielleicht waren mit den „Hariern“ sogar direkt die „Einherier“ – also Wotans Wildes Heer – gemeint.

Ob mit den Hariern der erste literarische Nachweis von Wotans Wildem Heer vorliegt, ist umstritten. Unumstritten ist, dass Wotan im 1. Jahrhundert u. Z. bereits an der Spitze der germanischen Götter stand. Denn Tacitus setzte Wotan der römischen Auffassung entsprechend mit Merkur gleich und schrieb über die Germanen „von den Göttern verehren sie am meisten den Merkur ...“

Wotan hatte diesen Spitzenplatz im Götterhimmel damit wenigstens ein Jahrtausend inne - bis zum endgültigen Erlöschen der germanischen Religion mit der Christianisierung Skandinaviens. Als letztes germanisches Gebiet nahm Island im Jahr 1000 u. Z. auf Beschluss seines Altthings das Christentum an.

Aber ein Gott, der in dem gewaltigen geographischen Raum zwischen Island und Schwarzem Meer über viele Jahrhunderte von zahlreichen Völkern verehrt wurde, verschwand nicht im Dunkel der Geschichte, ohne Widerhall im kollektiven Gedächtnis der Menschheit zu hinterlassen.

Die Literatur über Wotans Spuren im Volksglauben füllt ganze Bibliotheken. Zu diesen Spuren gehören die Märchen von Walküren in Schwangestalt genauso wie die weit verbreiteten Erzählungen vom Wilden Jäger, der bei Sturm über die Wolken braust. Auch alte Erntebräuche weisen auf den einstigen Sturm- und Totengott. So wurde in einigen Gegenden Mecklenburgs bis in die Neuzeit die letzte Garbe auf dem Feld gelassen, damit „Wodens Ross genug Futter hat“, und die Ernte im nächsten Jahr günstig ausfällt.

Mit dem fluchbeladenen Schatz findet sich selbst im Nibelungenlied ein Kernmotiv, das auf den Wotanskult zurückgeht. Gleiches gilt bei der Sage vom Kaiser Barbarossa für die Raben, die um den Kyffhäuser fliegen, oder für das im Berg schlafende Heer des Kaisers.

Neben diesen diffusen Spuren in der mündlichen Überlieferung blieben auch schriftliche Zeugnisse über den Wotan bis in die Gegenwart erhalten.

Zu den frühesten Zeugnissen zählen Weihesteine aus der Kaiserzeit des Römischen Imperiums. Sie wurden von in römischen Diensten stehenden Germanen hinterlassen. Sie sind lateinisch beschriftet und belegen Wotans Verehrung im Rheinland aber auch bei germanischen Hilfstruppen in Britannien. Ein schönes Beispiel ist der bei Heidelberg gefundene Weihestein für den „Mercurius Cimbrianus“ (Wotan der Kimbern).

Ihnen analog sind die einige Jahrhunderte später errichteten und mit Runeninschriften sowie mythologischen Zeichnungen versehenen Weihesteine der Wikinger.

Die ergiebigsten schriftlichen Quellen zum Wotanskult und zur Religion der Germanen bieten jedoch die altnordischen Liedersammlungen der Edda. In diesen isländischen Dichtungen tritt uns Wotan als Odin entgegen. Die erhaltenen Handschriften stammen aus dem 13. Jahrhundert, beruhen jedoch auf älteren Vorlagen.

Die Wotansverehrung besitzt – so die Lehrmeinung – am Niederrhein ihren Ursprung und hängt mit dem Aufkommen des Gefolgschaftssystems bei den Germanen zusammen. Es gibt jedoch Indizien, die auf einen weiter zurückreichenden Kult um Wotan weisen. Ganz am Anfang stehen bronzezeitliche Felsbilder aus Südschweden von einem Speerträger, die durchaus den „Speergott“ Wotan mit seiner Waffe „Gungnir“ zeigen könnten.

Mit ziemlicher Gewissheit kannten die Kimbern und Teutonen bei ihrer Wanderung um das Jahr 105 einen Gott „Wotan“. Der bereits angesprochene Weihestein für „Mercurius Cimbrianus“ beweist die Wotanverehrung der Kimbern wenige Jahrzehnte nach ihrer Abwanderung aus Jütland.

Auch weiß der Römische Feldherr Cäsar schon um 50 v. u.Z. von „Merkur“ (also Wotan) als dem höchsten der germanischen Götter.

Die früheste schriftliche Bezeichnung mit dem germanischen Namen Wotan/Wodan anstelle der bis dahin üblichen römischen Übersetzung mit Merkur findet sich jedoch erst auf einer alemannischen Fibel des 7. Jahrhundert u. Z.

In der vom langobardischen Gelehrten Paulus Diaconus um 790 aufgeschriebenen Ursprungslegende seines Volkes nimmt Wotan die zentrale Rolle ein. In einer sagenhaften Schlacht gegen die Vandalen schenkte Wotan (von den Langobarden „Godan“ genannt) auf Betreiben seiner Frau Freya (bzw. „Frea“) den Winnilern - so hießen die Vorfahren der Langobarden - den Sieg. Die zahlenmäßig unterlegenen Winniler hatten für die Schlacht sogar ihre Frauen aufgestellt. Diese banden sich ihre langen Haare zur Täuschung der Gegner wie Bärte ins Gesicht. Wotan selbst verlieh den Winnilern darauf den Namen „Langbärte“ – Langobarden.

Bei den Hermunduren und Chatten – den Ahnen der Thüringer und Hessen – bewährte sich Wotan ebenfalls als siegbringender Gott. Bei den von Tacitus überlieferten Kämpfen zwischen Hermunduren und Chatten im Jahre 58 um „heilige Salzquellen“ schworen die einen, das unterlegene Heer dem Mars (Ziu) zu opfern, während die anderen für einem Sieg das gleiche dem Merkur (Wotan) versprachen. Die Hermunduren gewannen.

Ein bei Ausgrabungen am Opfermoor von Oberdorla in der Nähe von Mühlhausen/Thüringen gefundenes Schwertidol (ein aufgestelltes Schwert) könnte nach Auffassung des Ausgräbers Prof. Behm-Blanke durchaus mit den Kämpfen des Jahres 58 zusammenhängen. Vor dem Idol fand man nämlich Reste von Tier- und Menschenopfern. Laut Tacitus stand bei den Germanen allein dem Kriegsgott Wotan Menschenopfer zu. So spricht einiges dafür, in Oberdorla eine Kultstätte für Wotan anzunehmen.

Der germanische Brauch, das besiegte Heer als Dankopfer für den Sieg den Göttern zu opfern, ist bereits bei den Teutonen und Kimbern belegt. Nach der Schlacht von Noreia 113 v. u.Z. ließen sie die Toten und die wertvolle Ausrüstung der geschlagenen römischen Armee als Opfergabe auf dem Kampfplatz zurück.

Von Wotan, dem himmlischen Herrscher, leiteten sich sehr gern auch weltliche Herrscher ab. So ließen die angelsächsischen Könige genauso wir ihre skandinavischen Amtsbrüder Genealogien aufstellen, die ihre Abstammung von Wodan/Odin als mystischen Ahneherren beweisen sollten. Dass diese Herrscher – wie beispielsweise die Könige von Wessex - zu einem Gutteil längst Christen waren, störte dabei nicht.

Dass Wotan als göttlicher Heiler galt und auch im Gebiet des heutigen Deutschlands schamanische Qualitäten besaß, belegt der „Zweite Merseburger Zauberspruch“. Hier heilte Wotan mit Zaubergesängen die Verletzungen eines Pferdes.

Der fränkische Herrscher Karl der Große unterwarf um 800 die festländischen Sachsen endgültig. Mit ihrer gewaltsamen Christianisierung endete der Kult um Wotan im dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Das so genannte „Sächsische Taufgelöbnis“ bietet ein letztes Zeugnis von der überragenden Verehrung, die Wotan bei den alten Sachsen genoss. In dem Gelöbnis aus dem späten 8. Jahrhundert mussten die Täuflinge allen Teufelswerken und Worten abschwören, insbesondere jedoch: „Thunaer und Woden und Saxnote und allen Dämonen, die ihre Genossen sind.“

Damit sinkt die germanische Göttertrias Donar, Wodan und Ziu („Saxnot“ gilt allgemein als Bezeichnung für den „Schwertgott“ Ziu) aus der Hochreligion in den Bereich des Aberglaubens.

Bei der Suche nach den bis heute überkommenen Belegen für die Verehrung Wotans in ganz Europa muss man beachten, dass bis rund 170 Namen und Synonyme für Wotan bekannt sind. Odin, Merkur, Wodan, Allvater, Woden, Grimnir, Heervater, oder Hängegott bilden dabei nur die sprichwörtliche Spitze des Eisberges.

Wotan war ein mehrdeutiger Gott, einer der unablässig seine Gestalt wandelte und das Geheimnisvolle liebte. Diese Eigenschaften haften ihm offenbar bis heute an. Wer nach ihm sucht, findet jedoch vielerorts Wotans verdeckte Spuren: in der Literatur, in der Architektur, in der Volkskunst, in der Archäologie und nicht zuletzt in der Sprache.

Wir führen Wotan und seine Familie im wahrsten Sinne des Wortes „alltäglich“ im Munde.

Der „Dienstag“ – im altdeutschen noch „Ziostag“ ehrt den Gott Ziu. Der „Donnerstag“ erinnert an Wotans Sohn „Donar“ und der „Freitag“ Wotans Gemahlin „Freya“. Wotans eigener Tag war der Mittwoch – weshalb dieser Tag im Englischen bis heute „Wednes-Day“ heißt.
 
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